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Foto von Jens Notroff

Foto: youtube.com/ScienceSlam

Jens Notroff - Archäologie

Jens Notroff gräbt beruflich kaputte Steine aus, die auf den ersten Blick wenig ansprechend wirken: Der Berliner Archäologe kann jedoch auf einige Verhaltensweisen unserer Vor-vor-vorfahren schließen und lässt uns in seinen Slam-Vorträgen an deren Lebenswelt teilhaben. Und sie waren uns ähnlicher, als wir denken. Einen seiner Vorträge seht ihr hier.

Hier könnt ihr euch noch einen weiteren Vortrag von Jens anschauen:

Unser Interview mit Jens Notroff

1.Warum machst du beim Science Slam mit?

Natürlich geht es mir darum, Erkenntnisse unserer aktuellen archäologischen Forschung in einem spannenden und vor allem unterhaltsamen Format zu vermitteln. Aber ich wäre nicht ganz ehrlich, wenn ich nicht zugäbe, dass mir das Ganze auch wirklich Spaß macht.

2. Was begeistert dich an der Forschung?

Die Archäologie ist für mich immer dann am faszinierendsten, wenn wir den Menschen hinter den Funden ein Gesicht geben können. Denn letztlich geht es uns ja nicht um alte Steine und staubige Scherben, sondern um diejenigen, die sie einst genutzt haben. Gerade weil wir damit nicht nur in die Vergangenheit schauen, sondern ganz konkret zu aktuellen Debatten beitragen wollen und auch können. Denn die Herausforderungen, denen sich unsere Vorfahren stellen mussten ‒ wie Klima- und Umweltveränderungen, Nahrungsunsicherheit, Migration und Gesellschaftswandel ‒ unterscheiden sich nicht so sehr von denen, die uns heute beschäftigen. Der Unterschied ist, dass wir die Strategien dieser Menschen über lange Zeiträume nachvollziehen und so erkennen können, welche davon funktioniert haben. Und so können wir auch vermeiden zu wiederholen, was schon einmal nicht funktioniert hat.

3. Kannst du mir dein Thema in drei Sätzen erklären?

Überspitzt könnte man sagen, dass ich als Archäologe im Müll anderer Leute herumwühle, um mehr über deren Leben zu erfahren. Wir versuchen anhand der materiellen Hinterlassenschaften den Lebensalltag vergangener Gesellschaften zu rekonstruieren und dieses Wissen zur Beantwortung von Fragen unseres eigenen Alltags zu nutzen. Ich selbst habe daran mitgewirkt, gut 12.000 Jahre alte Monumentalarchitektur freizulegen, einen frühen Versammlungsplatz im Südosten der heutigen Türkei. In dieser Region wurden die Weichen für unseren modernen Lebensstil gelegt: sesshaft, nahrungsproduzierend und in Städten lebend.

4. Was hättest du in deinem Forschungsprozess gerne früher gewusst?

Vielleicht ließen sich manche Wege mit dem Wissen von heute abkürzen ... aber  ich bin überzeugt, dass letzten Endes auch Fehlschläge ihren konstruktiven Nutzen gehabt und Umwege zu anderen spannenden Erfahrungen geführt haben.

5. Was ist das größte Missverständnis über dein Fachgebiet?

Dass es in der Archäologie ausschließlich um Fundobjekte geht. Eine Vase, ein Schwert oder das goldene Schmuckstück mag in der Ausstellungsvitrine viel hermachen, tatsächlich aber erzählt uns der Fundkontext, also wo und wie diese Objekte und mit welchen anderen Gegenständen sie zusammen gefunden wurden, viel mehr über deren Geschichte. Mehr, als es das einzelne Objekt je könnte. Deshalb ist die penible Dokumentation jedes einzelnen Arbeitsschritts während einer Ausgrabung auch so wichtig. Denn einmal ausgegraben, ist dieser Kontext unwiderruflich zerstört. Ohne Dokumentation wären all diese Informationen verloren.

6. Was machst du, um nach einem anstrengenden Tag abzuschalten?

Manchmal ist es ganz hilfreich, am Abend die Laufschuhe zu schnüren und eine Runde zu drehen, um wieder runterzukommen. Manchmal tun es aber auch ein spannender Podcast oder ein Buch und eine Pfeife (die aber nur ganz selten, ehrlich) auf dem Balkon.

7. Was ist dein Lieblingspaper/-buch zu deinem Thema?

Das ist eine Fangfrage, oder? Sich nur für eines zu entscheiden ist eine Herausforderung. Einen prägenden Einfluss auf meinem Weg hatte aber sicher C. W. Cerams "Götter, Gräber und Gelehrte" (1949). Vielleicht etwas überraschend in diesem Zusammenhang ist aber auch ein vergleichsweise schmales Buch, das ich immer wieder gern aus dem Regal nehme und lese: der Science-Fiction-Klassiker "Picknick am Wegesrand" von Arkadi und Boris Strugazki (1971). Das nimmt nämlich eine zukunftsarchäologische Perspektive ein, die ich immer wieder aufs Neue spannend und inspirierend finde.

8. Welchen Rat würdest du anderen jungen Wissenschaftler*innen geben?

Nicht einschüchtern lassen. Auch "große Namen" kochen nur mit Wasser und stellen sich im persönlichen Gespräch ziemlich oft als unglaublich nette und aufgeschlossene Kolleginnen und Kollegen heraus. Deshalb würde ich, auch wenn das sehr oldschool klingt, unbedingt dazu raten, wann immer sich die Möglichkeit ergibt, an Vorträgen, Workshops und Tagungen teilzunehmen und auch nach dem Ende des "offiziellen Teils" noch zu bleiben. "Nicht einschüchtern lassen" meint aber auch, Ideen, von denen Ihr überzeugt seid, ruhig eine Weile weiterzuverfolgen, selbst wenn sie zunächst mit hochgezogenen Augenbrauen quittiert werden. Manchmal muss man einfach hartnäckig sein.